Simon Lutz studiert Umweltingenieurwesen im 1. Mastersemester mit der Vertiefungsrichtung "Environmental Hazards and Resources Management". Für sein 6-monatiges Praktikum im Projekt „Support To Ganga Rejuvenation“ der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Neu Delhi hat er ein Urlaubssemester genommen.
Wie bist du auf die Praktikumsmöglichkeit der GIZ in Indien aufmerksam geworden?
Ich habe durch meinen Professor, Herrn Markus Disse, Leiter des Lehrstuhls für Hydrologie und Flussgebietsmanagement an der TUM, von der Praktikumsmöglichkeit bei der GIZ in Neu Delhi erfahren. Die Anfrage von Frau Martina Burkard, der Programmdirektorin des „Competence in Motion“ Units der GIZ in welcher das „Support To Ganga Rejuvenation“ Projekt angesiedelt ist, wurde über Frau Hanna Kriebel des TUM Mumbai Büros an Prof. Disse weitergeleitet, der dann wiederum die Praktikumsstelle unter den Teilnehmern seines Masterkurs „Flood Risk and Flood Management“ publik gemacht hat.
Was waren deine Aufgaben als Praktikant der GIZ im Projekt „Support To Ganga Rejuvenation“?
Ein wichtiger Bestandteil des Projektes „Support To Ganga Rejuvenation“ (SGR) ist der deutsch-indische Wissensaustausch und die Vermittlung praktischer Erfahrungen bei der Sanierung von Flussgebieten. Um dieses Wissen den für die Sanierung verantwortlichen Mitarbeitern der indischen Regierung zugänglich zu machen, hat das SGR-Team mehrere Workshops veranstaltet, bei denen deutsche und andere europäische Experten ihre Erfahrungen in Flussgebietsmanagement teilten. Zu meinen Aufgaben gehörten die Organisation sowie inhaltliche Vor- und Nachbereitung dieser Workshops:
- Identifizierung der entsprechenden Personen innerhalb der indischen Regierung für welche die Workshops sinnvoll und hilfreich sein könnten
- Organisation der Technik: Beamer, Laptops, Kabel, Soundsystem, Drucker, Skype usw.
- Erstellung und Umsetzung eines Veranstaltungskonzepts: Anzahl der Teilnehmer, Ausstellung von Infomaterialien, Erstellung von Arbeitsmaterialien, Moderation des Workshops usw.
- Vorbereitung des Tagesprogramms / Agenda der Workshops
- Verfassen von Abschlussberichten, die entscheidend für die Fortsetzung der in den Workshops getroffenen Entscheidungen und Ideen sowie für die Berichterstattung an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Deutschland sind.
Da das SGR-Projekt neben der nationalen auch auf bundesstaatlicher Ebene arbeitet, mussten die dortigen Aktivitäten und Entwicklungen analysiert, die Arbeit der Consultants überprüft und mit dem GIZ Büro in Delhi abgestimmt werden.
Nachdem sich das Projekt zu Beginn meines Praktikums noch in der Anfangsphase befand, waren außerdem Stakeholder- und NGO-Mapping sowie Identifizierung möglicher Partner und Kooperationen Teil meiner Aufgaben.
Welche Erfahrungen und welches Wissen konntest du während des Praktikums in Indien für dein Studium gewinnen?
Das Praktikum hat mir sehr geholfen, einen Einblick in die Arbeitswelt eines Ingenieurs zu bekommen. Ich war sehr überrascht, welchen großen Anteil Projektmanagement, Kommunikation sowie das Verstehen staatlicher Strukturen und die daraus resultierende Aufgabenverteilung an der täglichen Arbeit haben. Detailliertes fachliches Wissen, welches an der Universität überwiegend vermittelt wird, diente eher als fundiertes Hintergrundwissen. Das Praktikum hat mir daher sehr geholfen, die Prioritäten bei der Kurswahl im Masterstudium etwas neu zu setzen.
Was war die wichtigste Lektion, die du während deines Praktikums in Indien gelernt hast?
Als ich mein Praktikum begonnen habe, war mir zwar bewusst das die Sanierung eines so großen Flusssystems wie das des Ganges, in dessen Einzugsgebiet über 40 % der Inder leben (~400 Mio. Menschen), eine immense Aufgabe darstellt. Dennoch hatte ich angenommen, dass es eine anspruchsvolle aber mittelfristig lösbare Aufgabe ist. Denn das Wissen, wie ein Fluss saniert werden kann ist ja vorhanden - gerade in Europa und speziell in Deutschland. Jedoch hat mich die Komplexität dieser Herausforderung vor allem zu Beginn meines Praktikums überwältigt. Nach und nach begann ich zu verstehen, wie viele Interessenslagen es am Ganges gibt: von Landwirtschaft über Industrie zu Tourismus, Trinkwasser und dann natürlich auch die religiöse Bedeutung des Flusses. Zusätzlich fließt der Ganges bzw. seine Zuflüsse durch 11 von 29 indischen Bundesstaaten, jeder Staat mit einer eigenen Behörde, eigenen Interessen und eigenen Plänen. All diese Umstände verlangsamen einen Sanierungsprozess natürlich extrem. Meine wichtigste Lektion im Praktikum war daher, geduldig zu sein und zu akzeptieren, dass manche Prozesse in Indien einfach seine Zeit brauchen. Dies gilt ebenso für Indien generell. Geduld ist eine Tugend, welche die Inder meisterhaft beherrschen und an der wir gehetzten Europäer uns öfter mal ein Beispiel nehmen sollten.
Was hat dir während deiner Zeit in Indien am Besten gefallen?
Meine Zeit in Indien war sicherlich die interessanteste und schönste Auslandserfahrung, die ich bisher machen durfte. Die unglaubliche Vielseitigkeit der Kulturen in Indien ist sicherlich einzigartig auf der Welt. Ebenso die Vielfalt an Landschaften in einem Land hat mich stark beeindruckt: von der atemberaubenden Bergwelt des Himalayas hinzu den paradiesischen Palmenstränden Südindiens, dazwischen Dschungel, Hochland, Wüsten, Sümpfe und Savanne. Auch Neu-Delhi als Stadt zum Wohnen und Arbeiten hat mir sehr gut gefallen. Ich war im Vorfeld doch ein bisschen abgeschreckt von der schieren Größe dieser Stadt und den circa 16 Millionen Einwohnern der Metropolregion Delhis. Jedoch gibt es in Neu-Delhi ein große und gut vernetzte Expat-Community, in der ich mich sofort wohl gefühlt habe. Egal welche Herausforderungen des täglichen Chaos dieser Stadt ich zu bewältigen hatte, stets fand sich jemand aus der Community, der wusste, was zu tun war und gerne geholfen hat. Ich habe Expats aus allen Teilen dieser Welt kennengelernt, man feiert zusammen, man verreist zusammen, hilft sich gegenseitig eine passende Wohnung zu finden und lernt nebenbei noch unzählige weitere Kulturen kennen.
Was wirst du ganz sicherlich nicht vermissen?
Für mich persönlich war das größte Minus meiner Indienerfahrung die enorme Luft- und Lärmverschmutzung dieser Stadt. Während man den ständigen Lärm noch einigermaßen ausblenden bzw. teilweise vermeiden kann, ist gegen die Luftverschmutzung nichts zu machen. Natürlich können Atemmasken getragen werden, diese sind jedoch wenig komfortabel, eignen sich nicht zum Sport und auch beim Einkaufen, Reisen und Ausgehen mit Freunden sind sie störend. Joggen im Park oder ein Bier auf einer Grünfläche genießen sind Dinge, die man in Delhi nicht machen will bzw. kann. Da außerdem der Ausbau der Infrastruktur nicht mit dem Bevölkerungswachstum mithalten kann, steht man so gut wie immer im Stau, direkt Hitze, Lärm und Abgasen ausgesetzt. Erst in Delhi begann ich zu verstehen, wie wertvoll und wichtig Erholungszonen wie die Isar oder der Englische Garten in München für eine Stadt, deren Umwelt und deren Bewohner sind.
Gibt es irgendwelche Ratschläge, die du zukünftigen TUM-Praktikanten und Studenten für Indien mit auf den Weg geben möchtest?
Sich auf keinen Fall von den zuvor genannten Bedingungen und Umständen abschrecken lassen. Wenn die Menschen an Indien und speziell an Neu-Delhi denken, denken sie an Dreck, Lärm, Abgase und Armut (und vielleicht noch an das Taj Mahal). Jedoch hat dieses Land soviel mehr zu bieten. 6 Monate reichen da bei weitem nicht aus, um diesen Subkontinent ausreichend zu erforschen und zu verstehen. Inder sind im Allgemeinen sehr hilfsbereite Menschen und Englisch ist weit verbreitet, somit steht der Konversation nichts im Wege und in Indien sind nahezu alle Probleme lösbar. Also zuversichtlich, mit einer guten Portion Offenheit und Selbstvertrauen in dieses von Deutschland so unterschiedliche, Land starten und einer unvergesslichen Erfahrung steht nichts mehr im Weg.
Weiterführende Informationen:
GIZ Neu Delhi
Deutschland unterstützt Ganges-Sanierung