
Mit dem Rad nach Frankreich ins Erasmus-Semester
Fabio Witzgall studiert an der TUM Luft- und Raumfahrtechnik. Vor dem Antritt seines Auslandssemesters in Toulouse überlegte er, dass er die französische Landschaft und Kultur schon bei seiner Anreise besser kennenlernen wollte. Er beschloss, ab Genf mit dem Rad zu fahren. Eine Woche und 700 Kilometer später startete sein Erasmus-Aufenthalt am Institut Superieure de l'Aeronautique et de l'Espace (ISAE-SUPAERO). Im Interview berichtet er, was ihn zu diesem Entschluss geführt hat, wie die Reise verlaufen ist und was er Kommiliton:innen raten würde.
Fabio, dein Auslandssemester mit dem Rad anzutreten ist eine ungewöhnliche Idee. Wie kamst Du darauf?
Zunächst mal radel ich einfach sehr gerne. Es hat mich gereizt, zu wissen wie es ist, sich seinem Erasmus-Zielort etappenweise mit dem Rad zu nähern. Das Ankommen nach einer längeren Radfahrt ist für mich immer ein magischer Moment. So dachte ich mir: Das ist ein guter Einstieg in mein Auslandssemester in Toulouse!
Inwieweit spielte der Gedanke an die Umwelt eine Rolle?
Nachhaltige Lebensweise ist für mich generell sehr wichtig. Aber es war eher eine zusätzliche Motivation, komplett CO2-frei anzureisen, nicht der alleinige Grund.
"Mit dem Fahrrad zu reisen ist nicht nur umweltfreundlich, sondern hat mir auch die Möglichkeit gegeben, die französische Landschaft, Küche und Kultur intensiv kennenzulernen."
Nach welchen Kriterien hast Du die Radroute geplant?
Ich hatte ab Genf rund 700 Kilometer mit dem Rad nach Toulouse zurückzulegen und eine Woche dafür Zeit. Also habe ich mir im Schnitt 100 Kilometer pro Tag vorgenommen, wobei ich mir die Etappen in abnehmender Länge vorgenommen habe. Die Planung erfolgte über die App Bikemap und während der Tour teilweise über Google Maps. Die Route lief überwiegend über geteerte Landstraßen, wo nicht viel Verkehr war. Mit hohem Druck in den Reifen kam ich so ganz gut voran. Aber es war gut, dass meine Reifen auch für Schotterwege geeignet waren, die sich manchmal als landschaftlich traumhafte Wegalternativen anboten.
Und wie hast Du Dein ganzes Gepäck nach Frankreich gebracht?
Am Tag meiner Abreise habe ich ein 30 Kilo schweres Paket geschnürt und mit DHL nach Toulouse verschickt. Blöderweise kam es erst nach mir in Frankreich an, so dass ich die ersten Tage in meinen Sportklamotten im Hörsaal saß.
Für die Radreise konntest Du ja wahrscheinlich nur Minimalgepäck mitnehmen?
Ja, beim Radeln hatte ich nur eine kleine Radtasche und einen Rucksack dabei. Da ich im Sommer geradelt bin, war es ganz wichtig, für genug Wasser zu sorgen. Gerade nach den Midi-Pyrénées war es bis über 30 Grad heiß. Ich hatte zwei Trinkflaschen dabei, die ich immer wieder auffüllen konnte und Elektrolyttabletten. Ganz wichtig war auch mein Blackroll Ball für die Massage der müden Beine nach den langen Etappen. Und einen hohen Sonnenschutz sollte man dabeihaben, Lichtschutzfaktor 30 hat in meinem Fall nicht ausgereicht.
Bestimmt hast Du auf Deiner Radreise sehr viel gesehen und erlebt. Was waren denn die schönsten Momente?
Oh, da gab es viele. Zunächst mal die Begegnungen mit anderen Menschen. In einer sehr netten privaten Unterkunft in Saint-André-le-Gaz hat mich mein französischer Gastgeber spontan zum Grillen eingeladen, als ich abends erschöpft und hungrig ankam. Auch habe ich während meiner Etappen immer wieder einheimische Mitradler gefunden, mit denen ich Teile der Strecke und auch manche Eindrücke geteilt habe. So kam ich schon mal ins Französisch sprechen rein, die Lernkurve ging steil nach oben.
Besonders begeistert war ich von der Schönheit der Landschaft, durch die ich fuhr. Es gab immer wieder überraschende neue Szenerien und Eindrücke, mit denen ich nicht gerechnet hatte. So bin ich eines Morgens im Massif Central im dichten Nebel gestartet, radelte über Kuhwiesen und arbeitete mich dann durch die Wolken auf den höchsten Punkt meiner Reise auf 1400 Höhenmeter. Von dort hatte ich einen überwältigenden Ausblick – und eine grandiose Abfahrt zu dem historischen Städtchen Espalion.
"Durch einheimische Mitradler kam ich schon bei der Anreise ins Französisch sprechen rein. So ging die Lernkurve steil nach oben."

Gab es auch böse Überraschungen oder Momente, die nicht so gut liefen?
Schwierig fand ich die Tatsache, dass viele Restaurants oder Bistros entlang der Strecke geschlossen waren, was wohl dem Ende der Saison geschuldet war. Natürlich hatte ich Notsnacks wie Müsliriegel oder Mandeln dabei, aber das ist bei der körperlichen Anstrengung kein echter Ersatz für eine gescheite Mahlzeit.
Auch war es mit der Orientierung manchmal schwierig, einmal führte mich der Weg so steil bergab, dass er definitiv nicht mehr fahrbar war. Manchmal ging es auch an stark befahrenen Straßen entlang, aber das muss man auf einer so langen Radreise wohl in Kauf nehmen. Die meisten Strecken und Orte, an denen ich vorbeikamen, waren aber wirklich sehr schön und ich bedauere am meisten, dass ich mit meinem straffen Zeitplan nicht mehr Puffer hatte, an dem ein oder anderen Ort länger zu bleiben.
Nach sieben Tagen und 700 Kilometern kamst Du dann auf dem Rad in Toulouse an. Wie hat sich das angefühlt?
Ich hatte mir die Tagesetappen schlauerweise so eingeteilt, dass ich zum Schluss nur noch kürzere Etappen zu bewältigen hatte. So kam ich am früheren Nachmittag nach entspannten 70 Kilometer ganz gemütlich in Toulouse an. Richtig Laune gemacht hat für mich als eingefleischter Weltraumfan, dass der Radweg an der Cité de l´Espace entlang ging. Ein riesiger Ausstellungspark voller Weltraumtechnik, wo auch ein Modell der Rakete Ariane 5 steht, ca. 32 Meter hoch. Das war schon ein gutes Ankommen! Danach kümmerte ich mich um mein Zimmer im Studentenwohnheim und ging erstmal Bettwäsche kaufen.
Fabio, würdest Du im Nachhinein anderen sportlichen Studierenden empfehlen, ihr Erasmus Semester radelnd anzutreten?
Auf jeden Fall! Aber ich würde jedem nahelegen, genug Zeit für die Reise einzuplanen. Mindestens ein Tag zum Ausruhen und für Besichtigungen sollte auf jeden Fall dabei sein. Und auch für den letzten Tag vor der Abreise sollte man sich genug Zeit nehmen. Ich hatte an dem Tag noch Prüfung geschrieben, musste packen und am selben Abend ging es mit dem Flixbus los nach Genf. Da kam schon leichter Stress auf.
Und Dein besonderer Tipp für alle, die es wagen wollen?
Nehmt einen Massageball mit und dehnt regelmäßig nach dem Radeln. Und legt die Planung zeitlich großzügig an!
Vielen Dank für das Gespräch!

Egal, ob Sie als TUM-Studierende ins Ausland gehen oder zu uns an die TUM kommen wollen: Machen Sie es wie Fabio – und überlegen Sie, wie Sie Ihren Aufenthalt möglichst nachhaltig gestalten können. Weitere Informationen und Tipps dazu finden Sie auf unserer Website für klimaschonende Mobilität: Thinking green!
Die inspirierenden Reiseberichte von Fabio und vielen weiteren TUM-Studierenden finden Sie in unserer Broschüre Thinking Green Travel Stories.