
TUM São Paulo Insights
Der lateinamerikanische Unicorn-Club wächst und wächst
19. Oktober 2020
Im dritten Teil der TUM São Paulo Insights-Reihe gibt Liaison Officer Sören Metz Einblick in den Club der Unicorns in Lateinamerika. Wie bereits in früheren Insights erwähnt, haben sich die Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups in den letzten Jahren in der Region merklich verbessert. Das zeigt sich auch an der Anzahl der Unicorns, die seit 2017 exponentiell steigt.
Unicorns sind Start-ups, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden. Waren es 2017 noch zwei einsame Einhörner in Lateinamerika, hatten sie sich nur eineinhalb Jahre später bereits zu einer Herde von stolzen 14 vermehrt. 2020 zählt die Region 25 Unicorns. Dieser massive Anstieg hoch bewerteter Unternehmen könnte Lateinamerika aus seinem jüngsten Einbruch des Wirtschaftswachstums führen: eine Chance, die besonders in Zeiten der Corona-Pandemie neue Wege eröffnen kann.
Brasilien und Argentinien haben die Nase vorne
Laut Erhebung der lateinamerikanischen Private Equity- und Venture Capital-Vereinigung (LAVCA) belief sich die Kapitalfinanzierung von Start-ups auf dem Kontinent im Jahr 2016 auf rund 500 Millionen US-Dollar. Bis 2018 war diese Zahl bereits auf zwei Milliarden US-Dollar gestiegen und 2019 wurde das Jahr mit über vier Milliarden Dollar in Finanzierungsrunden beendet. Damit ist das VC-Volumen in der Region in nur vier Jahren um das Achtfache gewachsen.Der meisten der lateinamerikanischen Unicorn-Start-ups sind in Brasilien (vierzehn) und Argentinien (sechs) zu finden. Die Unicorns agieren hier vor allem in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Transport, Versicherungen und Immobiliengewerbe.
Die beiden argentinischen Verkaufsportale OLX und mercado libre sind in ganz Lateinamerika aktiv, wobei mercado libre zusätzlich in den Finanzsektor eingestiegen ist und Kreditkarten sowie Zahlungsmöglichkeiten via QR Codes anbietet. Mercado libre ist das lateinamerikanische Pendant zu Ebay und bietet auch eigene Logistikdienstleistungen und Finanzprodukte an.
Finanzsektor als zentraler Unicorn-Hotspot
Besonders der Finanzsektor mit seinen traditionell oligopolistischen Märkten in der Region ist für innovative Start-ups interessant. So hat das brasilianische Unicorn Nubank beispielsweise mit kostenlosen Kreditkarten den Markt umgekrempelt. Ähnlich wie in anderen Märkten Lateinamerikas war der Zugang zu Kreditkarten bis dahin ausschließlich von den ausstellenden Banken reguliert.

Universitäten als Geburtsstätte für Unicorns
Ähnlich wie im Falle der TUM sind auch die Universitäten in Lateinamerika Ausgangspunkt für außergewöhnliche Start-up-Gründungen. So haben beispielsweise an der Universität São Paulo die Gründerinnen und Gründer von vier brasilianischen Unicorns studiert; unter anderem Cristina Junqueira, Co-Gründerin von Nubank. Sie hat an der USP Wirtschaftsingenieurwesen studiert.
Nubank – Aushängeschild lateinamerikanischer Start-ups
Seit der Gründung des Start-ups im Dezember 2013 hat Nubank den brasilianischen Kreditkartenmarkt revolutioniert und steigt jetzt auch in den Bereich der Girokonten und Anlagen ein. Cristina Junqueira hat neben der Gründung von Nubank zwei Kinder bekommen und war die erste brasilianische Top-Managerin, die sich hochschwanger für das Forbes-Cover ablichten ließ – drei Tage vor der Geburt ihrer zweiten Tochter. Zusammen mit ihrem Co-Gründer, dem Kolumbianer David Velez, hat sie Nubank auf den Weg zur Expansion gebracht: ein Büro in Mexiko wurde bereits eröffnet und in Berlin arbeiten IT-Spezialistinnen und -spezialisten sowie Ingenieurinnen und Ingenieure an der Weiterentwicklung der digitalen Bank.
Innovationen für Immobilienmarkt und Bildung
QuintoAndar dagegen hat sich auf den brasilianischen Immobilienmarkt und hier besonders den Mietmarkt spezialisiert und mit einem automatischen Mietsicherheitssystem das Mieten stark vereinfacht.

Vorher brauchten Mieterinnen und Mieter eine Gewährsperson oder eine Mietversicherung, was als schwierig und umständlich wahrgenommen wurde. Durch das automatisierte Mietsicherheitssystem werden Kredit- und weitere Finanzdaten direkt von den potentiellen Mieterinnen oder Mietern abgefragt, und QuintoAndar trägt das Risiko gegenüber Vermieterinnen oder Vermietern. Geld verdient das Start-up mit einer monatlichen Charge auf die gezahlte Miete.
Auch Start-ups aus dem Bildungsbereich finden sich unter den lateinamerikanischen Unicorns: So hat das guatemaltekische DuoLingo mit seiner Sprachlern-App eine der erfolgreichsten Anwendungen Zentralamerikas geschaffen.
Deutsche Start-ups und Lateinamerika
Auch deutsche Start-ups haben Lateinamerika für sich entdeckt. Das neue DAX-Unternehmen Delivery Hero hat die zentralamerikanischen Einheiten des Lieferunternehmens Glovo übernommen und versucht, in dem hart umkämpften Markt Fuß zu fassen. Hier haben neben Delivery Hero auch das kolumbianische Startup Rappi und das brasilianische Start-up iFood gute Chancen, sich langfristig zu behaupten. Auch das deutsch-britische Startup SUMUP ist in Brasilien aktiv und bietet besonders für Einzelhändler Bezahllösungen mit eigenen Terminals an – selbst die Kokosnuss am Strand in Rio kann man mit Kreditkarte bezahlen. Das 2012 in Berlin gegründete Start-up kam bereits 2013 nach Brasilien und ist seit einem Jahr auch auf dem kolumbianischen Markt aktiv.
Der lateinamerikanische Markt bietet natürlich auch für TUM-Start-ups interessante Möglichkeiten, aktiv zu werden. Melden Sie sich jederzeit gerne bei TUM São Paulo Liaison Officer Sören Metz, um Ihre Ideen zu besprechen.
Quellen:
- QuintoAndar – success case: https://www.consumidormoderno.com.br/2019/12/16/5-fatores-que-fizeram-do-quintoandar-um-case-de-sucesso/
- Nubank – success story: https://techcrunch.com/2020/03/03/valued-at-10b-nubank-launches-its-nu-credit-card-in-mexico/
- Forbes Cover: https://forbes.com.br/colunas/2020/06/capa-historica-imagem-de-cristina-junqueira-a-tres-dias-de-dar-a-luz-teve-ampla-repercussao/
- SUMUP Brazil launch in 2013: https://sumup.co.uk/press/sumup-expands-to-latin-america-with-launch-in-brazil