International Soil Classification Workshop in Mexiko: Engagement bei gefühlten 40 Grad
Im März 2022 trafen sich 35 internationale Expert.innen in Mexiko, um sich auf globaler Ebene intensiv mit den Böden verschiedenster Regionen und Landschaften zu beschäftigen – von sommerfeuchten Tropen bis zu tropisch-subtropischen Trockengebieten. Ziel war es, die Ergebnisse dieser Bodenuntersuchungen in das Internationale Bodenklassifikationssystem (WRB) einfließen zu lassen. Mit dabei waren auch Julia und Laurin, die an der TUM Sustainable Resource Management studieren. Sie absolvierten über TUMexchange ein Auslandssemester am TEC in Querétaro respektive an der UNAM in Mexiko-Stadt und haben uns von ihrem Engagement vor Ort berichtet.
Laurin und Julia, Danke für Eure Zeit! Wie kam es, dass Ihr zu diesem Workshop mit weltweit führenden Expert:innen eingeladen wurdet?
Laurin: Wir haben beide starkes Interesse an Böden, und unser Studium daher in den Bereichen Bodenkunde und Geologie vertieft. Unser Dozent, Dr. Peter Schad, der ebenfalls an dem Workshop teilnahm, hatte uns vorgeschlagen, uns für die Teilnahme an der Exkursion zu bewerben – und es hat geklappt. Besonders hat uns die Aussicht gereizt, ein Netzwerk zu führenden internationalen Wissenschaftler:innen aufzubauen. Zudem können wir Böden in verschiedenen Klimazonen kennenlernen, die es bei uns nicht gibt.
Bei gefühlten 40 Grad in sengender Sonne ein Bodenprofil zu graben und zu analysieren ist sicher eine Herausforderung. Was hat Euch besonders motiviert, Euch diesen Bedingungen auszusetzen?
Die Ergebnisse des Workshops dienen dazu, die WRB, also das internationale Bodenklassifikationssystem anzupassen und besser zu machen. Dazu müssen wir die Eigenschaften und Beschaffenheit der Böden wissenschaftlich analysieren. Das geht nur vor Ort, egal, wie die Bedingungen sind.
Warum ist ein globales Verständnis für Böden so wichtig?
Julia: In Anbetracht des Klimawandels und der Ernährungssicherung spielen Böden eine maßgebliche Rolle. Unter anderem speichern sie Kohlenstoff und bilden die Grundlage unserer Ernährung. Daher werden Kenntnisse über Böden, die über die eigene Klimazone hinausgehen, immer entscheidender.
In Mexiko etwa ist nur etwa ein Fünftel der Fläche landwirtschaftlich nutzbar. In den Trockengebieten ist der Wassermangel besonders ausgeprägt. Die Wasserverschmutzung durch Industrie und Landwirtschaft verschärft das Problem noch weiter. Mehr als 75 % des kostbaren Wassers fließt in die Landwirtschaft, wo zahlreiche Flächen, die ursprünglich für den Anbau von Mais für den menschlichen Verzehr dienten, heute als Ackerland für die Produktion von Futtermitteln für die kommerzielle Viehzucht verwendet werden.
Gibt es denn aufgrund der Erkenntnisse des Workshops konkrete Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Nutzung der Böden?
Im Laufe des Workshops haben wir uns einen Boden in einer für den Getreide- und Zitrusfrüchte-Anbau bekannten Region angeschaut. Anhand der Eigenschaften ist es dann möglich, eine Empfehlung für ein Bewässerungssystem – zum Beispiel das Verwenden von Tröpfchenbewässerung – und den Einsatz von Bodendeckern abzugeben, um das Erosionsrisiko so gering wie möglich zu halten.
Grundsätzlich können durch die Klassifizierung Aussagen über nachhaltiges Management und Nutzung des jeweiligen Bodens gemacht werden, z.B. in Bezug auf Erosions- und Versalzungsrisiken. Dort, wo wir Böden mit hohem Salzgehalt gefunden haben, empfiehlt sich eine extensive Beweidung mit salzresistenten Pflanzen sowie ein angepasstes Bewässerungs-Management. In Wüstengegenden sind diese sogenannten Halophyten sehr häufig endemisch, also einheimische Pflanzenarten, welche dem Boden Salz entziehen können. Sie können zur Entsalzung und somit Wiedernutzbarmachung des Bodens eingesetzt werden. Dies kann durch bestimmte Maßnahmen unterstützt werden. Man kann den Boden zum Beispiel regelmäßig mit ionenarmen Wasser fluten und durch "Auflockern" eine bessere Versickerung des Wassers erreichen.
Die Untersuchungen dienen aber auch dazu, potenzielle Kulturpflanzen zu identifizieren und bessere Aussagen über eine richtige Kalkung und Düngung der Böden zu machen. Letztendlich geht es darum, sowohl die Fruchtbarkeit als auch die Struktur des Bodens langfristig zu schützen und hierbei eine nachhaltige Nutzung zu gewährleisten.
"Eine nachhaltige Nutzung der Böden und die Erhaltung der Fruchtbarkeit für künftige Generationen können nur gemeinsam erreicht werden."
Während des neuntägigen Workshops konntet Ihr laut Eurem Bericht auf einer Strecke von rund 1500 Kilometern 13 verschiedene Böden klassifizieren. Was waren denn die Momente, die Euch am meisten beeindruckt haben?
Für mich war die Landschaft der weißen Gipsdünen in Cuatro Ciénegas sehr beeindruckend. Aufgrund der hohen Albedo war man vor Ort wie geblendet und ist bei spärlicher Vegetation während der Arbeit im Feld ständig der Sonne ausgesetzt. Es ist wirklich unglaublich, wie Leben in einer so außergewöhnlichen Umgebung unter solch extremen Bedingungen möglich ist.
Mein ganz besonderer Moment war ein Sonnenuntergang, ebenfalls im Naturschutzgebiet Cuatro Ciénegas. Ein wirklich einzigartiges Ökosystem inmitten einer kargen Wüste mit sengender Hitze. Es war am letzten Bodenprofil dieses vollgepackten Tages, als in fröhlicher Runde und nach langem Ringen doch noch ein finales Ergebnis zur Klassifizierung erzielt wurde. Ein Moment der wissenschaftlichen Harmonie im Angesicht der pittoresken Schönheit dieser Landschaft.
Was nicht so gut lief – im wahrsten Sinne des Wortes – war der vorletzte Tag. Mein Vorbild während des Workshops war unseren Begleiter, Dr. Peter Schad. Er hat den Spitznamen „der barfuß laufende Professor“. Auch ich war barfuß unterwegs. An dem Tag aber schien mich alles, was Stacheln und Dornen hatte, magisch anzuziehen. Das war ziemlich schmerzhaft.
Wenn Ihr jetzt zurückblickt: Welche besonderen Erkenntnisse habt Ihr aus dem Workshop in Mexiko gewonnen?
Ich habe gelernt, wie wichtig die soziale Komponente in der Wissenschaft ist. So mussten wir in einem Team aus zehn verschiedenen Nationen die Ergebnisse der Bodenansprache diskutieren und in ein System einordnen. Teamfähigkeit und Offenheit gegenüber anderen Sicht- und Herangehensweisen zu haben, war hier essentiell.
Wir mussten uns aber auch damit beschäftigen, wie wir die Handlungsempfehlungen in der Praxis verwenden können. Hierfür ist die Aufbereitung der Ergebnisse und die Kooperation mit lokalen Behörden und Landwirten nötig. Eine nachhaltige Nutzung der Böden und die Erhaltung der Fruchtbarkeit für die nächsten Generationen geht nur zusammen, nicht isoliert.
Ich danke Euch für das Gespräch.
Egal, ob Sie als TUM-Studierende ins Ausland gehen oder zu uns an die TUM kommen wollen: Machen Sie es wie Laurin und Julia – und überlegen Sie, wie Sie Ihren Aufenthalt möglichst nachhaltig gestalten können. Weitere Informationen und Tipps dazu finden Sie auf unserer Website für klimaschonende Mobilität: Thinking green!