
TUM Mumbai Insights
Der Einfluss von Agrartechnologie auf die Zukunft der Landwirtschaft in Indien
8. Juli 2022
Agrartechnologie und ihre stetige Weiterentwicklung sind für Indien von größter Bedeutung: Das Land hat sich von einer Agrarwirtschaft zu einer dienstleistungsorientierten Wirtschaft entwickelt und gleichzeitig ist der Agrarsektor für aktuell knapp 60% der Bevölkerung die Haupteinnahmequelle. Die Landwirtschaft zählt daher zu den Schlüsselsektoren mit enormem Wachstumspotenzial für die indische Wirtschaft. Einen wesentlichen Beitrag leisten die Frauen auf dem Land sowie ländliche Unternehmen. Mohaa Vyas, Senior Regional Manager India, gibt Einblicke in die neuesten Entwicklungen.
Angesichts des globalen Wandels ist auch in Indien einer der ältesten Industriezweige dazu übergegangen, sich der Digitalisierung und Transformation zu stellen. Die Agrartechnikbranche hat das Potenzial, bis zum Jahr 2025 einen Umsatz von etwa 24 Mrd. US-Dollar zu erzielen. Zum jetzigen Zeitpunkt liegt sie bei weniger als 1% ihres Marktpotenzials.

Um einen effizienten, widerstandsfähigen und nachhaltigen Sektor zu schaffen, wurden große Veränderungen in den Bereichen Skalierung, Geschwindigkeit, Produktivität der landwirtschaftlichen Ausrüstung und technologische Revolutionen durch KI, Sensoren und Analytik vorgenommen. Ein wesentliches Resultat daraus ist, dass Nutzpflanzen so verändert wurden, dass sie in jeder Umgebung wachsen, sich schneller anbauen und besser ernten lassen. In diesem Zusammenhang spielt auch die Ernährungssicherheit eine wichtige Rolle – sowohl für Indien als auch für die ganze Welt. Angesichts dieser Tatsache sind die politischen Entscheidungsträger darauf bedacht, nach besonders tragfähigen Methoden zur Nutzung von Technologien in der Landwirtschaft zu suchen. Die Agrartechnologie wird dabei eine wichtige Rolle spielen.
Nutzung von Technologie in der Landwirtschaft in Indien
Es ist geplant, den Sektor in naher Zukunft mit modernen Technologien wie IoT, KI/ML und Agrardrohnen für die Luftvermessung auszustatten. Bei der Bereitstellung dieser Technologien für die Landwirte werden sowohl indische als auch ausländische Agrartechnikunternehmen eine wichtige Rolle spielen. Derzeit gibt es nur wenige Anbieter auf dem Markt, die jedoch nach eigenen Angaben rund 267 Millionen Landwirte im Land beliefern.
Es gibt also durchaus Möglichkeiten für privatwirtschaftliche wie auch ausländische Unternehmen, ihre Marke im Lande auszubauen. Ein Erfolg der digitalen Landwirtschaft in Indien dürfte in erster Linie davon abhängen, dass die Technologien kostengünstig, der Zugang und die Bedienung einfach und die Wartung der Systeme unkompliziert sind und dass die Regierung die Entwicklung vorantreibt.
Mithilfe der modernen Technologien kann die Landwirtschaft ihre Prozesse verbessern und ihre Betriebe künftig einfacher verwalten und kontrollieren. Dies wiederum wird dazu beitragen, den Gesamtwasserverbrauch zu senken, den übermäßigen Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln bei der Pflanzenproduktion zu vermeiden, die Produktivität zu steigern und die Produktionskosten zu senken, die Verschlechterung der Böden zu verhindern, die Auswirkungen auf Umwelt und Ökologie zu verringern und den sozioökonomischen Status der Landwirte zu verbessern.
Dank des technologischen Fortschritts können die Landwirte die Gesundheit von Pflanzen und Böden mit Hilfe verschiedener Anwendungen der digitalen Landwirtschaft, die auf Fernerkundung, Bodensensoren, unbemannten Luftaufnahmen und Marktkenntnissen basieren, erfassen, visualisieren und bewerten. Das macht die Bewirtschaftung kostengünstiger und bequemer und ermöglicht den Einsatz in verschiedenen Phasen der Produktion. Sollten während des Prozesses Probleme auftreten, können diese zeitnah behoben werden.
Systematischer Aufbau von Agrarforschungsverbänden

Um die Entwicklung zu einer innovativen Landwirtschaft zu fördern, hat Indien eines der größten Agrarforschungssysteme der Welt aufgebaut: das Nationale Agrarforschungssystem (NARS), zu dem auch die Institute des Indian Council of Agriculture Research (ICAR) und die staatlichen Agraruniversitäten (SAU) gehören. Das NARS soll dazu beitragen, die Selbstversorgung Indiens mit Nahrungsmitteln zu sichern und den Bedarf des Landes an landwirtschaftlichen Technologien und Informationen zu decken.
Was das ICAR betrifft, unterstützt das Gremium landwirtschaftliche Start-ups, insbesondere Agritech-Start-ups, die innovative Methoden einsetzen. Die Förderung erfolgt im Rahmen des Projekts National Agriculture Innovation Fund (NAIF), der 2016/17 ins Leben gerufen wurde. Das Projekt umfasst zwei Finanzierungskomponenten: den Innovations- und Inkubationsfonds und die Nationale Koordinierungsstelle (NCU). Die Aufgabe des ICAR-Inkubators besteht darin, Dienstleistungen für Agritech-Start-ups und Unternehmer zu erbringen und ihnen technische Unterstützung zu bieten. Über 50 ICAR-Einrichtungen wurden bis heute 818 Start-ups unterstützt, darunter auch solche mit Schwerpunkt Agrartechnik.
Einführung spezieller Programme und Verbesserung der technischen Ausstattung für Landwirte
Die Regierung will auch gezielt Programme zur Förderung von Innovation und Agrarunternehmertum umsetzen. Zu diesem Zweck wurden in ganz Indien fünf Expertenzentren und vierundzwanzig Gründerzentren für das Agribusiness eingerichtet. Auch finanzielle Unterstützung wird bereitgestellt, um Start-ups in der Agrar- und Agrartechnologie aufzubauen und weiterzuentwickeln. Im Rahmen dieses Programms wurden bereits 779 Start-ups gegründet, die in den Bereichen Landwirtschaft und Agrartechnik tätig sind.
Neben der Verbesserung der technologischen Ausstattung der Landwirte und ihrer Maschinen ist das Wachstum des Agrarsektors auch mit diversen Abläufen in den Lieferketten verbunden - von der Produktion über die Verarbeitung und den Vertrieb bis hin zum Einzelhandel.
Die Versorgungsketten und Netzwerke spielen eine maßgebliche Rolle, um den Erzeugern Zugang zu Märkten und Umsätzen zu verschaffen. Sie haben Einfluss auf die wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit der landwirtschaftlich geprägten Gemeinden.
Der Spielraum für die Einführung neuer technologiegestützter Innovationen im Agrarsektor ist daher enorm. Für die kommenden Generationen wird die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft von zentraler Bedeutung sein. Denn nur durch nachhaltige Methoden innovativer Technologien kann die Verfügbarkeit von Ressourcen auch weiterhin in ausreichendem Maße gewährleistet werden.
TUM Global Week 2022: Podiumsdiskussion mit TUM São Paulo
Zum Thema Agritech veranstalteten TUM Mumbai und TUM São Paulo im Rahmen der TUM Global Week 2022 eine gemeinsame Veranstaltung, bei der sie Experten zum Thema Smart Farming in ihren jeweiligen Regionen einluden. Die Redner sprachen über die wichtigsten Aspekte in Bezug auf Innovation und Forschung und stellten dem Publikum ihre Ideen und Ausführungen vor.