„Ich gehe meinen eigenen Weg“ – Wie Aryan vom IIT Roorkee aus seiner Blindheit einen Motivator machte
Aryan Dhas ist Bachelorstudent am Indian Institute of Technology Roorkee (IITR) und verbringt derzeit im Rahmen des TUMexchange-Programms ein Semester an der TUM School of Computation, Information and Technology. Vor einigen Jahren verlor er sein Augenlicht. Seinen Aufenthalt an der TUM sieht er als Chance, neue Perspektiven zu gewinnen, Menschen aus aller Welt kennenzulernen und Erfahrungen zu sammeln, die über den Hörsaal hinausgehen. Mit Unterstützung seiner Familie und einer Förderung für benachteiligte Studierende wagte Aryan den Schritt – und nicht lange danach kochte er mit seinen Freunden im Wohnheim in Garching, wanderte durch die Alpen und sprang in Bayern aus einem Flugzeug. Im Interview spricht Aryan über seine Entscheidung für München, Herausforderungen im Alltag und warum sein Aufenthalt an der TUM ihm Selbstvertrauen gegeben und seine Zukunftspläne geprägt hat.

Aryan, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch nehmen. Sie sind Austauschstudent vom IITR in Indien. Durch eine Operation im Jahr 2020 haben Sie Ihr Augenlicht verloren. Was hat Sie motiviert, trotz Ihrer Blindheit ein Semester im Ausland zu absolvieren?
Mein Ziel war es, so viel wie möglich zu lernen und die vorhandenen akademischen Möglichkeiten optimal zu nutzen. Ich wollte meine wissenschaftlichen Fähigkeiten ausbauen, aktuelle Entwicklungen kennenlernen und meine eigene Perspektive einbringen. Besonders wichtig ist mir, Dinge zu verbessern – vor allem in Bezug auf Barrierefreiheit und die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen.
Mein Bachelorstudium sehe ich als Chance, Neues auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln – dazu gehört auch ein Auslandssemester. Das Studium an der TUM eröffnete mir Zugang zu vielen spannenden Kursen, bot Einblicke in ein neues Land und Umfeld und die Gelegenheit, Menschen aus aller Welt zu treffen und ihre Denkweisen kennenzulernen. Diese Erfahrungen haben entscheidend zu meiner eigenen Entwicklung beigetragen.
Wie haben Sie Ihre Entscheidung für das Auslandssemester getroffen?
Ich habe mich bewusst beworben, obwohl mir gewisse persönliche Einschränkungen klar waren. Mein Auslandskoordinator war der erste, der mich ermutigte, die TUM in Betracht zu ziehen – seine Empfehlung gab mir den initialen Anstoß. Danach haben mich meine Familie und Freunde emotional unterstützt. Ich wusste, dass ich, wenn ich diese Erfahrung meistere, enorm davon profitieren würde – nicht nur akademisch, sondern auch persönlich. Es ging für mich vor allem darum, Selbstvertrauen aufzubauen und über meine eigenen Grenzen hinauszuwachsen.
Warum ist es die TUM geworden?
Mein Professor kontaktierte Amanda vom Incoming-Team im TUM Global & Alumni Office, die sofort Informationen und Links zuschickte. Mein Professor war überzeugt, dass die TUM ein gutes Ziel für mein Austauschsemester wäre, und leitete mir die E-Mail weiter. Außerdem sprach ich mit Studierenden, die bereits an der TUM waren, und sie empfahlen mir ebenfalls, ein Semester in München zu verbringen.
Wie sieht Ihr Alltag in Indien aus?
Der IIT-Campus ist sehr gut organisiert – Wohnheime, Hörsäle, Mensa und weitere Einrichtungen liegen zentral beieinander. Ich hatte enge Kontakte mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mich während meines Studiums unterstützten. Ein Campus-Wächter half mir bei Bedarf, von einem Ort zum anderen zu gelangen, und auch Freunde standen mir zur Seite. Alles funktionierte sehr gut, und ich hatte Zugang zu allen notwendigen Einrichtungen, einschließlich der Mensa, in der wir preiswert essen konnten.
Gab es gesundheitliche Vorbereitungen für das Auslandssemester?
Nein, es waren keine besonderen Vorbereitungen nötig. Ich habe meine laufende medizinische Versorgung fortgeführt und meinen Arzt kontaktiert, der mir einen fünfmonatigen Vorrat an Medikamenten bereitstellte. Das war ausreichend.
Hatten Sie Bedenken bezüglich Ihres Aufenthalts an der TUM und in Deutschland?
Als ich mich im September bewarb, waren viele Details noch unklar, daher war ich natürlich etwas angespannt. Die Unterstützung vom IIT war in dieser Hinsicht begrenzt, doch meine Familie stand mir jederzeit zur Seite. Was mir half, war der Gedanke, dass ich einen Weg finden würde – und die Motivation, alle notwendigen Schritte zu gehen, um das möglich zu machen.
Welche Unterstützung erhielten Sie von IITR und TUM?
Vom IITR erhielt ich allgemeine Hinweise zu Visaangelegenheiten, Bewerbungen und akademischen Abläufen. Sie kontaktierten einmal die TUM, um zu prüfen, ob mein Aufenthalt möglich sei, danach sollte alles direkt mit der TUM geklärt werden.
An der TUM war die Unterstützung durch meine Koordinatorinnen – Amanda, Larissa, Lena, Julia und Zuzana – herausragend. Sie haben immer alle Möglichkeiten geprüft und waren sofort zur Stelle, wenn es etwas zu klären oder Hürden zu überwinden gab. Dafür bin ich sehr dankbar. Gerade in der Vorbereitungsphase haben wir aber auch gemerkt, dass manches schlicht nicht machbar war und wir immer wieder an bürokratische Grenzen gestoßen sind – was bei uns allen manchmal für Frust gesorgt hat. Gleichzeitig lief vieles überraschend unkompliziert: So konnte mir nach Rücksprache mit dem Studierendenwerk ein Zimmer organisiert werden, das campusnah lag, eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr hatte und alle wichtigen Einrichtungen direkt in der Nähe bot.
Wie erleben Sie das Studium an der TUM?
Ich habe drei Kurse belegt: einen Vorlesungskurs mit Abschlussprüfung, einen praktischen Kurs mit wöchentlichen Aufgaben und Diskussionen sowie einen Online-Management-Kurs, in dem ich ein Reflexionspapier einreichen und ein Thema bearbeiten musste – im Grunde eine Art Pitch.
Die Kurse sind entspannt, ich kann meinen Arbeitsrhythmus selbst gestalten. Das Umfeld ist sehr positiv, mit offener Kommunikation und starkem Fokus auf wissenschaftlichen Austausch – ganz anders als der oft hektische Alltag in Indien. Ich habe einen Nachteilsausgleich beantragt, etwa zusätzliche Prüfungszeit und Unterstützung bei Mitschriften. Am Ende wird meine Prüfung mündlich stattfinden.
Und wie ist das Leben in München?
Das Leben hier ist abwechslungsreich und spannend. Ich koche täglich, habe einige indische Gewürze von zu Hause mitgebracht und gehe oft mit Freunden einkaufen. München ist lebendig, es gibt viel zu entdecken. Ich habe während meines Aufenthalts viel unternommen: Schloss Neuschwanstein besucht, in den Alpen gewandert, Städte wie Wien und Rom erkundet – und sogar einen Fallschirmsprung gemacht!
Wie ist es mit Freunden und wie gestalten Sie Ihre Freizeit?
Aufgrund von Verzögerungen bei meinem Visum habe ich die Orientierungswochen verpasst, was den Einstieg ein wenig erschwerte. Meine Kurse sind größtenteils virtuell, daher habe ich Kommilitoninnen und Kommilitonen vor Ort vor allem im Wohnheim kennengelernt. Außerdem habe ich andere indische Studierende kennengelernt, deren Gemeinschaft schnell zu meiner wurde.
Die meiste Freizeit verbringe ich mit meinen Freunden – sei es beim Wandern, in der Stadt oder bei Gruppenaktivitäten. Besonders in Erinnerung bleibt mir das Fallschirmspringen – unvergesslich! Außerdem liebe ich die Rutsche im Mathe- und Informatikgebäude! Ich rutsche jeden Donnerstag einmal runter und hole mir einen kleinen Energie-Kick.
Wie wohnen Sie, und wie erleben Sie das Wohnheim?
Ich wohne in einem Wohnheim in der Nähe des TUM Campus Garching. Es ist nicht nach Geschlechtern getrennt – was neu für mich ist. Ich sehe es als Vorteil, da ich so vielfältige Kontakte knüpfen kann. Da ich so nah am Campus wohne, fühlt sich die gesamte Umgebung mittlerweile vertraut an.
Was nehmen Sie für Ihre Zukunft mit?
Durch den Austausch habe ich erkannt, dass ich eine wissenschaftlich ausgerichtete Laufbahn einschlagen möchte – vermutlich mit einer Promotion. Mein Ziel ist es, einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Der Aufenthalt in München hilft mir, Kontakte zu knüpfen, Perspektiven zu erweitern und Klarheit über meine beruflichen Ziele zu gewinnen. Ich plane, wieder ins Ausland zu gehen und weitere neue Erfahrungen zu sammeln.
Was mich persönlich angeht… Ich habe bereits jetzt viel über Individualität gelernt. Ich muss mich nicht im Wettbewerb mit anderen messen, sondern kann meinen eigenen Weg gehen. Es geht mir nicht darum, andere zu übertreffen, sondern auf reale gesellschaftliche Bedürfnisse zu reagieren.
Möchten Sie uns und allen Leserinnen und Lesern noch etwas mitgeben?
Ja, ein indisches Sprichwort, das mich tief berührt: „Dein Leben sollte groß sein, nicht lang.“ Es bedeutet, das Leben sollte reich an Erfahrungen und Bedeutung sein – nicht unbedingt lang, aber erfüllend. Leb dein Leben in vollen Zügen, nimm Vergangenheit und Gegenwart an und erlaube dir, alle Gefühle zu spüren – Traurigkeit, Freude, Aufregung. Gestalte jeden Moment bewusst und mach das Beste daraus!