
TUM San Francisco Insights
Blockchain: ein zunehmender Trend – auch für Hochschulen?
26. April 2019
Blockchain ist kein futuristischer Hype mehr, auf dem allein Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum basieren. Bereits jetzt gibt es weitere Sektoren, in denen die Netzwerktechnologie disruptiv wirkt und damit bestehende Geschäftsprozesse grundlegend ändern könnte. Doch welches Potenzial hat die Technologie für Hochschulprozesse?
Bereits seit einiger Zeit ist das Thema Blockchain auch Forschungsthema, das auf stark zunehmendes Interesse stößt. Als Pioniere unter den Universitäten in Bezug auf Blockchain gelten dabei das Massachusetts Institute for Technology (MIT) und die University of Nicosia (UNIC) auf Zypern.
Das MIT Media Lab nutzt schon seit geraumer Zeit den offenen Standard Blockcerts, um Zertifikate in elektronischer und gesicherter Weise an Studenten zu vergeben. UNIC bietet sogar einen Master of Science in Digital Currency an, postet akademische Zertifikate auf der Blockchain und akzeptiert bereits seit 2013 Bitcoin als Zahlungsmittel. Im vergangenen Jahr haben außerdem die beiden amerikanischen Universitäten Stanford und Columbia Blockchain-Forschungszentren gegründet und damit neue Forschungsschwerpunkte gesetzt.
Blockchain in Forschung und Lehre
Zudem versuchen immer mehr Hochschulen die wachsendende Nachfrage von Studenten nach Kursen zu Blockchain und digitalen Währungen mit entsprechenden Angeboten abzudecken. Eine Analyse der US-Kryptowährungsbörse Coinbase mit Sitz in San Francisco aus dem Jahr 2018 ergab, dass mittlerweile 42% der Top-50-Universitäten mindestens einen Kurs zu diesen Themen anbieten. Angeführt wird die Liste dabei von Stanford und der Cornell Universität mit zehn bzw. neun Kursen.
Blockchain- und Kryptowährungskurse sind laut der Coinbase-Studie in den USA besonders populär. Nur fünf der 18 internationalen Universitäten bieten mindestens einen Kurs an. Lediglich zwei von ihnen – ETH Zürich und National University of Singapore – bieten mehr als einen Kurs an.
Auch wenn sich das Thema Blockchain als Forschungsthema immer stärker etabliert und die Zahl der Universitäten mit entsprechenden Studienangeboten steigt, so kommt die Anwendung der Technologie für Verwaltungsprozesse innerhalb des Bildungs- und Wissenschaftssektors selbst bislang nur vereinzelt zur Anwendung.
Vorteile der Blockchain-Technologie für Hochschulprozesse
Dabei hat die Blockchain-Technologie für administrative Prozesse in Universitäten großes Potenzial und vor allem zwei wichtige Vorteile: Digitale Sicherheit ist gewiss der wichtigste Grund. Im Gegensatz zu den meisten anderen Technologien basiert die Blockchain-Technologie auf einer dezentrale Peer-to-Peer-Plattform. D.h., die sogenannte Distributed Ledger Technologie speichert und verteilt jede Transaktion weltweit auf unzähligen Computern, was wiederum Cyberangriffe und Datenschutzverletzungen erschwert und die Richtigkeit von Daten in hohem Maße absichert. Außerdem gehören Verschlüsselungen und Authentifizierungen zu ihren wichtigsten Elementen.
Gleichzeitig ist Transparenz ein weiterer Vorteil. Es gibt keinerlei Änderungs-, Aktualisierungs- oder gar Löschungsmöglichkeiten für Einträge. Um einen Eintrag ändern zu können, müsste er auf jeder Blockkette der am Netzwerk beteiligten Computer geändert werden. Manipulationen sind damit faktisch ausgeschlossen.
Mit Hilfe der Blockchain-Technologie könnte die Verwaltung vertrauenswürdiger Informationen vereinfacht und der Zugriff und die Nutzung persönlicher Daten durch verschiedene Einheiten innerhalb der Universität erleichtert werden, ohne dass dabei die Datensicherheit in Frage stünde. So könnten akademische Zeugnisse, Zertifikate, Empfehlungsschreiben und andere persönliche Daten von Studenten sicher erfasst, verarbeitet und genutzt werden. Aber auch Informationen zu Auslandsstudium oder Praktika könnten aufgenommen werden. Weil diese Informationen unveränderbar sind, wäre eine solche Datenbank erheblich sicherer als Verfahren, die heute noch überwiegend zur Anwendung kommen.
Zugleich hätten Studierende einen Zugang zu ihrer eigenen freigegebenen digitalen Datei, die registriert, kryptographisch gesichert und damit manipulationssicher wäre. Sie könnten ihre Informationen mit potentiellen Arbeitgebern teilen, ohne auf das Ausstellen oder die Verifizierung von Zeugnissen durch die Universität warten zu müssen. Auch die Bewerbung zur Aufnahme eines Studiums an einer Universität könnte erheblich vereinfacht und der Prozess ein für alle Mal maßgeblich verändert werden. Es besteht keine Notwendigkeit zusätzliche Transskripte anzufertigen, denn es existiert immer eine digitale, fälschungssichere Kopie. Gleichzeitig könnten Anmeldeinformationen schnell verifiziert werden.
TUM setzt auf weltweite Zusammenarbeit

Auch die TUM hat die Wichtigkeit digitaler Technologien im universitären Bereich schon früh erkannt und bereits vor zehn Jahren das Campus Management System TUMonline eingeführt. Hierüber werden beispielsweise schon jetzt alle mit dem Studienzyklus verbundenen IT-Prozesse unterstützt. Seine hohe Nutzerfreundlichkeit ist ein enormer Erfolgsfaktor des Systems, das erst kürzlich als Beispiel guter Praxis im Hinblick auf die Digitalisierung der Verwaltung im diesjährigen Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation benannt wurde.
Bereits seit dem vergangenen Jahr arbeitet die TUM in Kooperation mit acht anderen weltweit führenden Universitäten, wie bspw. dem MIT, Harvard und der TU Delft an der Entwicklung fälschungssicherer Zeugnisse mit Hilfe der Blockchain-Technologie. „Das ist ein sehr spannendes und vielsprechendes Projekt. Gemeinsam entwickeln wir einen weltweiten Standard für eine vertrauenswürdige Infrastruktur zum Austausch digitaler Zeugnisse und akademischer Leistungsnachweise“, so der geschäftsführende Vizepräsident der TUM für IT-Systeme und Dienstleistungen (CIO) Dr. Hans Pongratz kürzlich in einem Interview.
Grund für die Zusammenarbeit ist vor allem das Interesse der Universitäten, die durch neue Technologien erzielten Fortschritte so zu nutzen, dass die Bedürfnisse der Lernenden im Vordergrund stehen. „Während digitale Technologien ja schon einen großen Einfluss auf das Forschen, Lehren und Lernen haben und Bildungsbiographien immer weiter individualisieren, hat sich hinsichtlich akademischer Dokumente, deren Sicherheit und Überprüfbarkeit bisher wenig getan. Das wollen wir nun ändern und neueste Technologien im Kontext von Blockchains und digitalen Zertifikaten bieten hierzu optimale Voraussetzungen“, so Dr. Pongratz weiter.
Fazit
Digitale Technologien haben einen großen Einfluss auf die Art und Weise wie wir lernen. Auch Hochschulprozesse, wie die Ausstellung und Verwaltung von Zeugnissen, müssen diesem Trend folgen, denn die Anforderungen der Praxis an Verifizierung und Authentifizierung haben sich geändert.
Das Potenzial der Blockchain-Technologie geht weit über digitale Währungen hinaus und könnte die organisatorische Effizienz sowie die Erfahrungen der Studierenden an Universitäten maßgeblich verbessern. Ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten im Hochschulsektor sind daher reizvoll und spannend zugleich, zumal hier noch Potenziale liegen dürften, die heute noch gar nicht vorstellbar sind. Die TUM ist eine der Universitäten, die diese Notwendigkeit als Zeichen der Zeit erkannt hat und um einen Ansatz bemüht ist, der weltweit genutzt werden kann.
Quellen:
• https://www.media.mit.edu/projects/media-lab-digital-certificates/overview/
• https://www.blockcerts.org
• https://digitalcurrency.unic.ac.cy
• https://engineering.stanford.edu/news/stanford-computer-scientists-launch-center-blockchain-research
• https://engineering.columbia.edu/press-releases/columbia-ibm-center-blockchain-data-transparency
• https://blog.coinbase.com/the-rise-of-crypto-in-higher-education-81b648c2466f
• https://digitalcredentials.mit.edu
• https://www.e-fi.de/gutachten-und-studien/gutachten/